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Erstes digitales Jahresmeeting „Wiesbaden International“

Die Zukunft der internationalen Jugendarbeit

Auch das Jahresmeeting „Wiesbaden International“ ist nicht spurlos an der Corona-Pandemie vorgebeigekommen. Nach der Terminverschiebung vom Februar in den Sommer, hat sich die Fachstelle Wiesbaden International dazu entschieden das Jahresmeeting erstmals digital stattfinden zu lassen. Mit der virtuellen Erfahrung aus den letzten Monaten stellte dies aber keine große Umstellung dar. Nur die Sorge, wie man den Spirit um „Wiesbaden International“, der durch die vielen Engagierten im Bereich der Internationalen Jugendarbeit (IJA) in Wiesbaden entsteht und der sonst bei den Jahresmeetings herrscht, wohl auch im digitalen Raum erzeugen kann.

Zwar in einem neuen Format aber mit der bewährten Moderation durch Werner Müller-Hirschfeld wurde sich zu den Auswirkungen der Pandemie sowie der Zukunft der Internationalen Jugendarbeit ausgetauscht. Ein erster Blick auf die vergangenen Monate in Wiesbaden zeigt: Zwar konnten deutlich weniger Jugendreisen stattfinden, so waren es immer noch 115 Wiesbadener Kinder und Jugendliche, die mit den Angeboten der Internationalen Jugendarbeit erreicht wurden. Neu war unterdes die Form der Begegnungen: Während in den Vorjahren fast ausschließlich reale Begegnungen stattgefunden haben, waren es in den letzten Monaten überwiegend digitale und hybride Begegnungen. Die jungen „Reisepeers“, die selber meist bereits eine Jugendbegegnung mitgemacht haben und nun versuchen andere junge Menschen dafür zu motivieren, trafen sich trotz Pandemie in regelmäßigen Abständen und produzierten sogar einen eigenen Podcast. Einigen Wiesbadener Organisationen war es möglich neue Partnerschaften gänzlich digital aufzubauen oder kurzfristig um zu planen und virtuelle Begegnungen durchzuführen.

Dass die bisherige Pandemie-Zeit flexibleres und neues Arbeiten erforderte, bestätigten auch die Podiumsgäste Nazife Ilhan (Weltblick), Iman Belgartit (Reispeers), Daniel Poli (IJAB), Claudius Siebel (Jugend für Europa) und Wiesbadener Sozialdezernent Christoph Manjura in dem abschließenden Podiumsgespräch.

Claudius Siebel von „Jugend für Europa“ berichtete, dass es trotz vieler Ausfälle nicht weniger Anträge gegeben und das Interesse an Begegnungen damit nicht abgenommen habe. Dennoch habe die Pandemie große Auswirkungen auf die Jugendarbeit gehabt, besonders in osteuropäischen Ländern ohne Rettungsschirm. Mittel für europäische Erasmus-Programme seien für die nächste Programmgeneration aber stark aufgestockt worden – ein positives Signal.

Nazife Ilhan vom Träger „Weltblick“ erzählte von unterschiedlichen digital Erfahrungen ihres Vereins: „Es gab Highlights, aber auch Sachen, die schief gelaufen sind, zum Beispiel mangelhafte Internetverbindungen für virtuelle Begegnungen.“ Das „Informelle“ fehle leider in virtuellen Begegnungen gänzlich. Außerdem seien digitale Begegnungen auch davon abhängig, wer Zugang zu entsprechenden Geräten oder auch zum Internet habe. Ohnehin eine Frage sozialer Ungleichheit, die die Corona-Pandemie weiter verschärft hat.

Sozialdezernent Christoph Manjura betonte außerdem die Folgen der Pandemie für die Jugendlichen. Jugendliche hätten sich sehr solidarisch verhalten, „obwohl sie eine große Last in der Pandemie tragen mussten.“ Man müsse sie nun dort abholen, wo die Pandemie sie zurückgelassen habe – schulisch, aber auch im Leben. Die Jugendarbeit habe in Wiesbaden immer unter den entsprechenden Bedingungen stattgefunden und man versuche, keine Pausen zu machen. Das sei aber nicht immer einfach gewesen.

Darüber hinaus gaben die Podiumsgäste Auskunft über zukünftige Entwicklungen im Bereich der (internationalen) Jugendarbeit: Globale Herausforderungen, wie die Klimakrise, werden in Zukunft mehr Bedeutung auch in der Internationalen Jugendarbeit finden. Deren Lösung wird einerseits eine wichtige inhaltliche Rolle in den Begegnungen spielen als auch kurz- und mittelfristig das Mobilitätsverhalten von jungen Menschen maßgeblich beeinflussen (müssen). Ferner wird auch die Digitalisierung, die zuletzt durch Corona einen großen Schub gemacht hat, soziale Interaktionen langfristig verändern, so Daniel Poli von IJAB. Die Lerneffekte bei virtuellen Begegnungen seien natürlich andere, dies werde wissenschaftlich evaluiert, denn diese Erkenntnisse wolle man für die Zukunft verwerten. Nicht in allen Ländern und nicht für alle Altersgruppen gebe es bislang Impfstoffe und deswegen werden die Bedingungen für Auslandsreisen auch mittelfristig anders bleiben. Hybride Austauschformate werden deswegen weiter im Fokus bleiben. Jugendbegegnungen oder Freiwilliges Engagement im Ausland werden künftig nicht nur im realen Raum stattfinden sondern auch virtuelle oder hybride Formate annehmen. Soziale Ungleichheiten müssen adressiert werden, damit auch Jugendliche mit weniger Chancen die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes bekommen.

In vier Workshops konnten die Teilnehmer*innen einzelne Aspekte vertiefen: So ging es beispielsweise um Jugendmobilität in Zeiten von Corona und Klimakrise, um Gelingen in virtuellen Jugendbegegnungen, um rassismuskritische Perspektiven in der Jugendarbeit und um erfolgreiche Erfahrungen aus Kelkheim, einer weiteren Modellkommune, die insbesondere für ihre gute Kooperation mit Schule bekannt ist. Dass sich das Mobilitätsverhalten nicht nur durch die Pandemie, sondern auch durch den Klimawandel verändern müsse, ist eine Erkenntnis, die es auch bei der Organisation von Jugendbegegnungen zu berücksichtigen gilt. Damit dies gelingen kann, bedarf es Umdenken bei jedem Einzelnen und vor allem politische Rahmenbedingungen für eine Transformation auf allen Ebenen. In dem Workshop von Elena Neu und Andrea Bruns wurden Gelingensbedingungen für virtuelle Begegnungen gesammelt und hilfreiche Tipps für die nächsten digitalen Erfahrungen ausgetauscht. Dass versteckter Rassismus auch in Jugendbegegnungen eine Rolle spielt und wie diese in der Jugendarbeit adressiert werden können, besprach Tim-Tih Kost von „Weltblick“ mit den Teilnehmer*innen seines Workshops. Die Erfahrungen in Kelkheim in der Kooperation mit Schule sind durchweg positiv: Auch die Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen, so Petra Bliedtner, funktioniere hier ausgezeichnet, ebenso mit der Stadt Wiesbaden in punkto Internationalisierung der Ausbildung. Ein Rhein-Main-Sondierungstreffen im Herbst soll weitere Synergien über Städtegrenzen hinweg schaffen.

Im Anschluss konnten sich die fast 60 Teilnehmenden in verschiedenen Räumen zwanglos austauschen. An der virtuellen „Raucherlounge“ oder am „Kaffeetisch“ wurde sich entspannt zu Planungen und Neuigkeiten ausgetauscht sowie die nächsten gemeinsamen Jugendbegegnungen (natürlich ganz nachhaltig) mit dem Rad geplant. Spätestens hier konnte man den Spirit von „Wiesbaden International“ auch im digitalen Raum erleben.

Für dieses Jahr seien noch einige virtuelle und reale Begegnungen geplant, berichtete Conny Meyne von der Fachstelle Wiesbaden International abschließend. Darüber hinaus werden in Wiesbaden die Themen Digitalisierung sowie ökologische und soziale Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren weiter aufgegriffen. Durch gezielte Fortbildungen beispielsweise zu digitalen Methoden in der Internationalen Jugendarbeit sollen Wiesbadener Träger weiter gestärkt werden um auch in und nach der Corona-Pandemie Jugendliche mit der Welt zu verbinden. Entsprechende technische Ausstattung soll den Trägern nach Möglichkeit zur Verfügung gestellt werden. Durch ihre Internationale Jugendarbeit möchte Wiesbaden einen Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung leisten und dies auch entsprechend in den Jugendbegegnungen berücksichtigen: Nachhaltigkeit soll zukünftig nicht nur in der Umsetzung von Begegnungen sondern auch inhaltlich einen großen Stellenwert einnehmen: von der nachhaltigen Anreise („der Weg ist das Ziel“) oder der Förderung von bio, regional und fairen Verpflegung bis hin zur der Vermittlung der 17 Nachhaltigkeitszielen für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen sowie den Youth Goals gibt es darüber hinaus viele Möglichkeiten mit der Internationalen Jugendarbeit in Wiesbaden einen Beitrag zu einer Transformation für mehr Nachhaltigkeit zu leisten.

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